In einer seiner jüngeren Sitzungen hat der Rat der Gemeinde Wadersloh sich gegen den Antrag der FWG entschieden, den Namen Carl Diem-Sportanlage zu ändern. Ein Beschluss, der als unfassbar bezeichnet werden muss. Warum?!
Carl Diem (1882 – 1962) war ein deutscher Sportjournalist und Sportfunktionär, der schon im Kaiserreich und dann über 60 Jahre den Sport in unserem Land entscheidend prägte. 1936 stand er an der Spitze des Organisationskomitees der Olympischen Spiele. Er war wohl damals zusammen mit Dr. Goebbels Hauptinitiator der Durchführung von Fackelläufen vor Beginn der Olympischen Spiele. Propagandamäßig in bislang nie dagewesener Weise für und durch das Nazi-Regime inszeniert. Des Weiteren gab er mit anderen den Anstoß zur Gründung der ersten Sporthochschule der Welt in Berlin. Nach dem Krieg übernahm er als erster Rektor seine Arbeit an der von ihm gegründeten Deutschen Sporthochschule in Köln. Diese Stellung behielt er bis zu seinem Tod 1962.
Die Liste von außergewöhnlichen Leistungen in seiner Schaffenszeit ließe sich an dieser Stelle leicht fortsetzen.
1953 wird ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen und 1956 verleiht das Internationale Olympische Komitee (IOC) ihm den Olympischen Orden. Auch die Liste seiner Ehrungen ließe sich hier leicht fortsetzen.
Doch warum haben sich mittlerweile über 35 Städte/Kommunen dafür entschieden, Straßen, Sportstätten oder öffentliche Gebäude, die dem Carl Diem mal gewidmet wurden, umzubenennen. In unserem Land gibt es zur Zeit nur noch drei Sportstätten bzw. Sportanlagen, die diesen Namen tragen. Unter anderem wird die Sportanlage in Wadersloh dort mit aufgeführt.
Seit vielen Jahren wird die Debatte um seine Rolle während der Nazizeit mit großer Leidenschaft geführt. In einer wissenschaftlichen Diem-Biographie des Oberhausener Zeithistorikers Frank Becker wird unzweifelhaft eine andere Seite des Carl Diem aufgedeckt. Schon im Kaiserreich beschimpfte Diem in Tagebucheinträgen Juden als „Semitenbande“ und zum Ende der Weimarer Republik habe er seine politischen Fühler zur NSDAP ausgestreckt.
Negativ berühmt ist seine „Sparta-Ansprache“, die er im März 1945 vor 1.500 Mitgliedern der Hitlerjugend hielt. In einer flammenden Rede rief er im Kuppelsaal des Berliner Olympiageländes zum finalen Opfergang für den Führer auf. Dabei zitierte er den Dichter Tyrtaios: Schön ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland ficht, für das Vaterland stirbt. Tage danach starben hunderte Jugendliche, die versuchten, sowjetische Panzer mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten aufzuhalten.
Allein diese Ansprache sollte uns heute davor bewahren, dem Namen Carl Diem irgendeinen Vorbildcharakter zukommen zu lassen. Man muss davon ausgehen, dass dieser rhetorisch versierte Sportjournalist die jungen Menschen in Kenntnis der aussichtslosen Situation in diesen Tagen vorsätzlich in einen sinnlosen Kampf geschickt und damit ihren Tod besiegelt hat. Wie sind diese Opfer mit den positiven Taten des Carl Diem aufzurechnen, welcher Maßstab ist hier der Richtige? Die Antwort: Es darf keine Aufrechnung geben, weil diese Rede ein Verbrechen an der damaligen Jugend darstellt und unverzeihlich ist.
Belegt ist auch, dass Diem seit Sommer 1943 vom Holocaust wusste. Trotzdem hielt er an seinen Ämtern fest. Diem beteiligte sich an Propagandaaktionen und viele seiner Veröffentlichungen erschienen in nationalsozialistischen Publikationen. In einem Aufsatz im Reichssportblatt vom 25. Juni 1940 rühmte er „mit atemloser Spannung und steigender Bewunderung diesen Sturmlauf, diesen Siegeslauf“ durch Frankreich, stand „staunend vor den Taten des Heeres“ und schrieb, dass „der sportliche Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist“, erst den „Sturmlauf durch Polen, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich“, den „Siegeslauf in ein besseres Europa“ ermöglichte.
Für die Zeit nach 1945 konstatiert Becker, dass Diem weder Reue gezeigt noch bereit gewesen sei, sich mit seinem Verhalten während der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Stattdessen habe er für Freunde, sogar für solche, die in der SS gedient hatten, ohne Bedenken „Persilscheine“ ausgestellt.
Die Stadt Münster beschloss beispielsweise schon 2010, dass der Name Diem nicht als Vorbild taugt. Prof. Dr. Hans Thamer: „Straßennamen identifizieren sich mit einer Haltung. Ich habe Zweifel, ob Diem ein Vorbild ist, das man ehren muss.“
Im Wissen über diese aufgedeckte andere Seite dieses Sportfunktionärs ist auch die ZIN19-Gruppe der Überzeugung, kein Gebäude, kein Platz und keine Straße unserer Gemeinde sollte diesen Namen führen. Die ZIN19-Gruppe stellt den Antrag, für die Sportanlage in Wadersloh den Namen Carl Diem zu streichen und zukünftig anderweitig aus vorgenannten Gründen nicht mehr zu nutzen.
Wadersloh, den 7. Juni 2019
ZIN19
Wolfgang Kißler
Rudolf Hoberg
Günther Petermeier
Paul Plümpe
Richard Streffing